Veranstaltung: | Landesdelegiertenversammlung |
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Tagesordnungspunkt: | 2. Klimaschutz |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 22.05.2017, 16:49 |
Antragshistorie: | Version 1 |
KLIMA-1neu: Der Schutz unseres Klimas beginnt in Rheinland-Pfalz
Antragstext
2016 war global betrachtet das wärmste Jahr seit Beginn der
Wetteraufzeichnungen. Nach 2014 und 2015 stellt 2016 damit das dritte
Wärmerekordjahr in Folge dar. Im vergangenen Winter gab es so wenig Polareis wie
noch in keinem Winter seit Beginn der Klimaaufzeichnungen. Seit 1979 hat das
dicke, mehrjährige Eis stark abgenommen.
Eine globale Erwärmung von zwei Grad gilt als Schwelle, bei deren Überschreiten
die Folgen des Klimawandels wie Gletscherschmelzen, Dürren oder Überschwemmungen
verheerend wären. Die Gefahr, dass erste – nicht mehr rückgängig zu machende –
„Kipp-Punkte“1 überschritten werden, wächst.
Schon jetzt ist damit zu rechnen, dass mindestens 200 Millionen Menschen fliehen
müssen, weil sie durch den steigenden Meeresspiegel und die Ausbreitung von
Wüsten ihre Heimat oder ihre Ernährungsgrundlage verlieren. Unter Wassermangel
werden allein in Afrika bis zum Jahr 2020 voraussichtlich 250 Millionen Menschen
leiden.
Auch hier in Rheinland-Pfalz machen sich die ersten Auswirkungen der
aufziehenden Klimakrise bemerkbar. In den vergangenen 130 Jahren ist die
langjährige Jahresmitteltemperatur in Rheinland-Pfalz um ca. 1,4 °C angestiegen.
Extreme Wetterereignisse wie die Hitze- und Trockenperiode im Sommer 2015 und
Starkregenereignisse im Frühsommer 2016 sind erste Anzeichen für den
stattfindenden Klimawandel. In der Landwirtschaft kommt es dadurch vermehrt zu
empfindlichen Ertragseinbußen. Die Starkregenereignisse und Sturzfluten haben
auch in einzelnen Kommunen große Schäden verursacht. Darüber hinaus verstärkt
die Zunahme von Hitzetagen und Tropennächten die Wärmeinseln in den Städten. Für
die Bevölkerung steigt die gesundheitliche Belastung dadurch deutlich an.
Von Paris nach Marrakesch: Chance für das Klima
Nach vielen Jahren klimapolitischer Stagnation ist es 2015 gelungen, unter 195
Staaten ein global verbindliches Klimaabkommen abzuschließen: Im Vertrag von
Paris wurde vereinbart, den globalen Temperaturanstieg „deutlich unter 2 °C,
möglichst unter 1,5 °C“ im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu halten.
Weltweit wurde dieser Vertrag als ein Zeichen der Hoffnung aufgenommen, dass der
ausreichende Schutz des Weltklimas doch noch gelingen kann. Die einzelnen
Staaten haben sich verpflichtet, über ihre Klimaschutzpläne und -erfolge zu
berichten. Darüber hinaus kamen die Länder überein, dass die Industriestaaten in
Zukunft arme Staaten beim Klimaschutz und der Anpassung an die Erderwärmung
unterstützen werden. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, alle fünf Jahre ihre
geplanten nationalen Klimaschutzbeiträge bekannt zu geben. 92 Länder bzw.
Länderorganisationen haben das bisher getan.
Die bis jetzt vorgelegten Selbstverpflichtungen der Staaten würden dazu führen,
dass die Welttemperatur um 3,4 °C steigt. Jeder Staat und jede Region ist
deshalb dazu aufgefordert, weit höhere Anstrengungen zur Verminderung der
Treibhausgas-Emissionen zu unternehmen.
Die Bundesregierung versagt bei der Energiewende und dem Klimaschutz
Mit der im Jahr 2000 eingeleiteten Energiewende und dem beschlossenen
Atomausstieg war die Bundesrepublik einst Vorreiter in Sachen Erneuerbare
Energien und Klimaschutz. Vor 10 Jahren ließ sich die Kanzlerin als
„Klimakanzlerin“ feiern und galt als Antreiberin in Sachen internationalem
Klimaschutz. Davon ist nicht mehr viel geblieben. Statt in Klimaschutz und
Strukturwandel zu investieren, setzt die Bundesregierung weiter auf
Kohlekraftwerke und weigert sich, einen Zeitpunkt für den Kohleausstieg zu
beschließen. Der Energiewende hingegen erweist sie einen Bärendienst, indem sie
mit den letzten Veränderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) den Ausbau
des Ökostroms langsamer und teurer gemacht hat.
Mit der Novelle von 2017 ist der Ökostromausbau in Deutschland um mehr als die
Hälfte gegenüber dem Trend der letzten Jahre abgebremst worden. Mit
hochbürokratischen Ausschreibungsmodellen und insgesamt zehn Ausbaudeckeln für
Erneuerbare Energien wird der Ökostromausbau förmlich abgewürgt und die Bürger-
Energiegenossenschaften aus dem Markt gedrängt.
Die Unsicherheit, ob man im Ausschreibungskampf letztlich zum Zuge kommt, dürfte
viele Bürgerinnen und Bürger ebenso von Investitionen abschrecken wie die
drohenden Strafzahlungen, wenn ein Projekt trotz Zuschlags nicht realisiert
werden kann, weil etwa Naturschutzgründe dagegen sprechen.
Die fortwährende Belastung des Eigenstroms aus PV-Anlagen, Biogas-Anlagen,
hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen mit der EEG-Umlage bestraft
diejenigen Gewerbetreibenden und Mittelständler, die ihren eigenen Strom sauber
erzeugen wollen.
Ein ähnlicher Irrsinn zeigt sich bei den verschiedenen Doppelbelastungen
(Umlagen und Entgelte) für Power-to-Gas-Anlagen, die insbesondere bei der
Speicherung von überschüssigem Erneuerbaren Strom in der Zukunft eine wichtige
Rolle spielen sollen. Hier brauchen wir statt der Belastung des Bezugsstroms mit
allen Umlagen und Abgaben geeignete Marktzugangsbedingungen, damit Erneuerbares
Gas als flexible Regelenergie eingesetzt werden kann.
Der von Bundesumweltministerin Hendricks vorgelegte „Klimaschutzplan 2050“ wurde
durch das Eingreifen des damaligen Bundeswirtschaftsministers Gabriel bis zur
Unkenntlichkeit geschliffen und verdient den Namen nicht. Deutschland
verpflichtet sich zwar, seine CO2-Emissionen bis zum Jahr 2050 um 90 % zu
reduzieren; die aufgelisteten Maßnahmen reichen jedoch in keiner Weise aus, um
dieses Ziel zu erreichen:
Die Bundesregierung hält weiterhin schützend ihre Hand über die
klimaschädliche Kohle und bezeichnet sie sogar als „Übergangstechnologie“.
Der Kohleausstieg wird auf unbestimmte Zeit verschoben. Dabei verstopft
der Kohlestrom die Netze, was zu Lasten der Erneuerbaren Energien geht.
Ein effektiver CO2-Emissionshandel wird weiterhin blockiert. Ein dringend
notwendiger Mindestpreis pro Tonne CO2 wird nicht mehr verfolgt.
Eine Wärmewende gibt es bei der Bundesregierung nicht einmal in der
Planung geschweige denn in einer heute schon dringend nötigen Umsetzung.
Lediglich die aktive Förderung fossiler Heizungen soll 2020 auslaufen.
Die Verkehrswende bleibt weiterhin unklar. Auch hier sind konkrete
Maßnahmen Fehlanzeige. Stattdessen wird die Lösung des Problems weiter
vertagt.
Ausbau des ÖPNV und des SPNV bleiben Stiefkinder, es gibt keine Anreize
zur Verlagerung von Gütern auf die Schiene.
Keine steuerliche Gleichstellung des Klimakillers Flugverkehrs. Vielmehr
wird mit jährlich bis zu 50 Milliarden Euro klima- und umweltschädliches
Verhalten in Deutschland durch Steuernachlässe oder direkte Subventionen
“belohnt“. Es findet sich, anders als vom Bundesrat beschlossen, kein
Zeitpunkt, ab dem nur noch emissionsfreie PKW zugelassen werden dürfen.
Mit diesem „Nicht-Plan“ werden nicht nur die nationalen CO2-
Einsparverpflichtungen für das Jahr 2020 krachend verfehlt, sondern auch die
Ziele für die Jahre 2030/2050 sind so nicht zu erreichen. Es zeigt sich einmal
mehr: Ohne Grüne Regierungsbeteiligung bleiben Klimaschutz und Energiewende auf
der Strecke. Wir brauchen für Europa und Deutschland ein umfassendes
sektorenübergreifendes Konzept, welches alle Treibhausgas-Einsparungen
zusammenführt, alle Effekte berücksichtigt und so Optimierungspotenzial
aufzeigt. Neben Energieerzeugung und –einsparung inklusive dem Wärme und
Kältebereich, dem Verkehr, müssen Landwirtschaft, Ernährung, Gebäudeeffizienz
bei Neubau und Altbeständen gedacht und vernetzt werden.
Rheinland-Pfalz geht voran – wir leiten die sektorenübergreifende Energiewende
ein
Während die GroKo im Bund spektakulär versagt, geht Rheinland-Pfalz weiter
voran. Mit der Regierungsübernahme 2011 haben wir die Stromwende in diesem Land
vorangetrieben. 2016 hatten die Erneuerbaren Energien in Rheinland-Pfalz bereits
einen Anteil von ca. 47 % an der Erzeugung und ca. 32 % am Stromverbrauch. Grüne
haben in Rheinland-Pfalz viel erreicht - unter den süddeutschen Bundesländern
sind wir führend bei Ausbau der Windenergie. Ca. 6 % aller Windenergieanlagen in
Deutschland stehen in Rheinland-Pfalz, und etwa 7 % der installierten Leistung
steht hier.
In Rheinland-Pfalz fördern wir innovative Technologien: Beispiele sind die
Biomethan-Einspeiseanlage in Pirmasens, die europaweit größte Power-to-Gas-
Anlage in Mainz, das Birkenfelder Altholz-Heizkraftwerk, das Strom für etwa
20.000 Haushalte (ca. 60 Mio. kWh) und Wärme für ca. 3.700 (16 Mio. kWh)
Haushalte erzeugt werden.
Die Energieagentur berät seit 2012 Kommunen, Unternehmen und Bürger*innen zu
allen Fragen der Energiewende. Sie ist in der Fläche mit acht Regionalbüros
vertreten. Mit dem Energieatlas hat die Energieagentur ein Monitoring-Tool
geschaffen, das die Umsetzung der Energiewende auf kommunaler Ebene zeigt. Hier
werden der Stromverbrauch ebenso wie der Bau, die Planung und Genehmigung von
Erneuerbaren-Energie-Anlagen dargestellt.
Mit dem Klimaschutzgesetz wurde bereits 2014 ein gesetzlicher Rahmen für den
Klimaschutz geschaffen. Kernstück ist das ressortübergreifende
Klimaschutzkonzept (KSK). Dieses ist im Koalitionsvertrag 2016 bestätigt worden.
Rheinland-Pfalz bekennt sich weiterhin zum Ausbau der Erneuerbaren Energien, zum
Klimaschutz und zum zügigen Kohleausstieg.
Das Klimaschutzkonzept enthält 100 Klimaschutzmaßnahmen in einzelnen Sektoren.
Es zeigt Möglichkeiten, um unsere Klimaschutzziele zu erreichen. Das
Klimaschutzkonzept wird in regelmäßigen Abständen angepasst werden, es ist ein
„lebendiges“ Werk. Als einziges Landesklimaschutzgesetz haben wir GRÜNE das
verankern können, was heute der gesamte Planet anstrebt. Darauf können wir stolz
sein. Jetzt wollen wir weiter gehen.
In den kommenden Jahren wollen wir vor allem Klimaschutz und Energiewende auf
der kommunalen Ebene fördern und ausbauen. Denn durch Energieimporte fließen
jährlich Milliarden Euro aus Rheinland-Pfalz ab, die der regionalen
Wertschöpfung verloren gehen. Aus diesem Geld wollen wir lieber Aufträge für das
lokale Handwerk generieren.
In der rot-gelb-grünen Regierung ist der Einstieg in die Wärmewende ein
Schwerpunkt. Fast 40 % des Primärenergieverbrauchs gehen auf das Konto der Wärme
oder Kälteerzeugung. Der Großteil dieser Energie wird durch fossile
Energieträger bereitgestellt und ist damit mitverantwortlich für Treibhausgas-
Emissionen.
Mit dem im Februar 2017 vorgestellten Wärmekonzept für Rheinland-Pfalz bündeln
wir Maßnahmen, die zur Energieeinsparung und Umstellung der Wärmeversorgung auf
Erneuerbare Energien sorgen. Davon profitieren nicht nur Umwelt- und
Klimaschutz, sondern auch die Verbraucher, Kommunen und Handwerksbetriebe. So
steigern wir die regionale Wertschöpfung und werden unabhängiger von teuren
fossilen Energien. Die Landesregierung unterstützt die Kommunen bei der
Erstellung von energetischen Quartierskonzepten, Nahwärmenetzen und stellt
Förderung für Sanierungsmanager bereit.
Auch für Rheinland-Pfalz soll in Zukunft verbindlich gelten: Keine
klimaschädlichen Investitionen mit Landesmitteln!
Die Bekämpfung des Klimawandels ist ein Querschnittsthema über alle
Politikfelder. Neben Klimaschutzmaßnahmen zur CO2-Minimierung müssen auch die
Finanzanlagen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung im Fokus stehen. Das
bedeutet unter anderem auch, dass die Finanzpolitik des Landes sich neben
ökonomischen auch an Kriterien der Nachhaltigkeit orientieren muss. Der Landtag
hat deshalb auf unsere Initiative bereits im September 2016 beschlossen, eine
Divestment-Strategie für Rheinland-Pfalz auf den Weg zu bringen. Damit wollen
wir als eines der ersten Länder alle direkten und indirekten klimaschädlichen
Investitionen in Kohle, Öl- und Gas aus dem Landeshaushalt und den
Landesbeteiligungen ausschließen.
Daher fordern wir das Finanzministerium auf, bei der anstehenden Novelle des
Pensionsfonds des Landes Rheinland-Pfalz ökologische, soziale und
wirtschaftliche Anlagerichtlinien einzuführen. Vorbild hierfür können der
Nachhaltigkeitsindex der Stadt Berlin oder auch der Index der Bundesbank sein.
Mit neuen Förderprogrammen wie Zukunftsfähige Energieinfrastruktur für kommunale
LED-Beleuchtung unterstützt das Land Kommunen bei der Umstellung ihrer alten
ineffizienten Straßenbeleuchtung auf stromsparende LED-Beleuchtung. Das spart
den Kommunen Geld und verringert CO2-Emissionen.
Für ein Energiesystem, das zu 100% auf Erneuerbaren beruht, brauchen wir
intelligente Netze, intelligentes Lastmanagement und Speichertechnologien. Die
Bundesländer Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und das Saarland entwickeln
mit dem Projekt „Designnetz“ gemeinsam eine Blaupause für die Energiewende. Im
Fokus steht die Frage, wie die erneuerbaren Energien effizient in das
Energiesystem der Zukunft integriert werden können. In Rheinland-Pfalz wird
dabei das Zusammenspiel von Erzeugungsüberschüssen an erneuerbarer Energie im
ländlichen Raum und dem hohen Energiebedarf in urbanen Regionen untersucht
Um den Klimaschutz in Rheinland-Pfalz weiter voranzubringen, fordern wir:
Die Kommunen müssen bei der Erstellung von Energiebilanzen unterstützt
werden. Nur mit Daten und Fakten können Klimaschutzkonzepte sinnvoll
erstellt und ihre Umsetzung überprüft werden.
Für die Steigerung der Energieeffizienz in Gebäuden ein bundesweit
einheitliches Gebäudeenergiegesetz, auf dessen Basis ein effektiver
Vollzug gewährleistet werden muss.
Die Elektromobilität muss durch Ausbau der Ladeinfrastruktur voran
gebracht werden. Wir fordern die Landesregierung auf, mit den relevanten
Akteuren (Energieversorger, Raststätten) in Kontakt zu treten, um mit
einem abgestimmten Konzept Rheinland-Pfalz elektrisch mobil zu machen.
Auf Bundesebene setzen wir uns dafür ein, dass:
der Ausbau Erneuerbarer Energien endlich wieder vorangetrieben wird und
die unsinnigen Deckel aus dem EEG entfernt werden.
die EEG-Umlage auf Eigenverbrauch Erneuerbaren Stroms abgeschafft wird.
die überbordenden bürokratischen Hemmnisse im derzeitigen EEG durch
einfache, verständliche Regelungen zu ersetzen, die Bürger*innen wieder
Teilhabe an der Energiewende ermöglichen.
eine Verordnung zur Grünstromvermarktung verabschiedet wird, mit der
echter Erneuerbarer Strom kostenneutral direkt an Bürger*innen vermarktet
werden kann.
Investitionen in Speicher nicht dadurch behindert werden, dass Speicher
mit zusätzlichen Umlagen und Entgelten belastet werden nund stattdessen
ihre netzdienliche Nutzung ermöglicht wird.
- die Sanierungsquote im Gebäudebestand deutlich verbessert wird, indem
Zuschüsse für strukturierte energetische Sanierungen gewährt werden.
- ein Klimaschutzgesetz verabschiedet wird, welches sämtliche Sektoren zu
substanziellen Treibhausgas-Einsparungen verpflichtet.
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